Endo-Was? Meine 22 Jahre auf der Suche nach Antworten

Mit sechs Jahren verlor ich meinen Blinddarm in einer Not-OP, mit neun bekam ich meine Periode.

Es war von Anfang an eine unglaubliche Sauerei.

In der Schule bin ich so oft durchgeblutet, dass ich meine Sporthose öfter im Matheunterricht trug, als in der Turnhalle. Nachts trug ich gleich zwei extra dicke überlappende Binden in meiner schwarzen Miederhose, und eine Gummieinlage über der Matratze – wie ein Kleinkind. Es half alles nichts.

Die Schmerzen waren auch von Anfang an enorm.

Da auch meine Mutter monatlich litt, hielten wir das für eine Normalität. Auch unser Frauenarzt bestätigte mir zwar eine Dysmenorrhoe, war aber sonst von meinen (und ihren) Symptomen sichtlich unbeeindruckt.

Mit elf Jahren hatte ich die Nase voll und bat meine Mutter, mir Tampons zu kaufen. Doch ich konnte machen was ich wollte, ich habe sie nicht ohne Schmerzen benutzen können.

Mit 14 dann das erste Aufatmen – ich bekam die Pille verschrieben.

Die Blutungen wurden etwas schwächer, wenigstens soweit, dass ich nicht mehr ständig „Unfälle“ hatte. Ich gebe auch schamlos zu, dass das Beste an meinem Ersten Mal war, dass ich endlich problemlos Tampons benutzen konnte. Das war mein erster Gedanke.

Dann ging es irgendwann los mit Neurodermitis-Schüben und starker Übelkeit und Erbrechen nach dem Essen. Eine Magenspiegelung fand nichts – es war wohl alles stressbedingt. Die Neurodermitis behandelte ich homöopathisch und war sie nach einem guten (Scheiß!) Jahr endlich wieder los.

Irgendwann in dieser Zeit kam mir auch die Idee, dass ich meine Pille vielleicht nicht vertrage und habe sie „probehalber“ für ein paar Monate abgesetzt.

Es war die Hölle auf Erden.

Dankbar bin ich danach auf den Nuvaring umgestiegen, dessen Hormondosis etwas niedriger war, aber wenigstens war meine Periode wieder „erträglich“.

In meinen Zwanzigern begann ich mein duales Studium. Der Stress und die schlechte Ernährung in der Kantine und im Wohnheim führten zu Gewichtszunahme und einer, wie ich glaube, klinischen Depression. In dieser Zeit bin ich auch öfter mit vereiterten Mandeln beim Hausarzt aufgeschlagen. Vorher war ich so gut wie nie krank – mal erkältet, aber nichts wildes. Mein neuer Frauenarzt stellte natürlich auch fest, dass man starke, schmerzhafte Blutungen Dysmenorrhoe nennt – und beließ es auch dabei, wie auch die nächsten drei Frauenärzte, bei denen ich im Laufe der Jahre Patientin war.

Das war für mich Normalität – ich habe da auch nichts hinterfragt.

Dann ging ich für ein Jahr nach Neuseeland. Den Nuvaring gab es da nicht und die Pille wollte ich nicht nehmen – also wurde ich „clean“. Plötzlich bekam ich während meiner Periode starke Schmerzen in der rechten Schulter. Mein Arm war regelrecht heiß und schwer, als wäre der Nerv entzündet. Manchmal konnte ich nur einschlafen, wenn ich mich mit meinem ganzen Gewicht auf den Arm legte. Es schien auch inzwischen normal, dass ich nach dem Geschlechtsverkehr etwas blutete – eine echt unangenehme Angelegenheit.

Wieder zu Hause hat es mich dann angefixt, den Pilgerweg nach Santiago-de-Compostella zu laufen. Ich war frisch gebackener Vegetarier, fühlte mich plötzlich als könnte ich Bäume ausreißen – und fing mit dem Joggen an. Die Pfunde purzelten, die Kilometer liefen sich irgendwann wie von selbst. Lange hielt der Frieden nicht an. Obwohl ich mich inzwischen weitestgehend vegan ernährte, sogar oft roh-vegan, nahm ich innerhalb weniger Wochen gute 15 Kilo zu.

Es ging mir dreckig.

Kein Kalorienzählen – kein Sport der Welt, half mir dieses Gewicht zu verlieren. Ich lief 3-4 mal die Woche, insgesamt gute 30 Kilometer, ernährte mich gesund und trank viel Wasser. Alles, was man so machen soll. Die Mandelentzündungen kamen wieder.

Nach meinem dritten Hausarztbesuch mit dicken Mandeln meinte meine Ärztin mit Blick auf meine Akte: „Sie werden 30 dieses Jahr, sie sollten sich sachte mal um ihre Gesundheit kümmern!“ Ich hab sie völlig entsetzt angeguckt – und erzählt, was ich alles schon tue – und dass ich nicht mehr weiter weiß. Innerhalb von 5 Minuten hat sie bei mir eine Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) mit Hashimoto diagnositziert, einen Eisen- und Vitamin-B12-Mangel festgestellt und mich mit Tabletten und Tropfen nach Hause geschickt.

Meine Werte waren auf allen Gebieten so unterirdisch, dass sie meinte, ich hätte wohl seit Jahren keinen Eisprung mehr gehabt.

Deshalb habe ich mir auch nichts dabei gedacht, also meine Unterleibsschmerzen plötzlich ganz neue Töne anschlugen.

Als ich mich bei einem spontanen Stadtbesuch von Brügge (so romantisch!) plötzlich vor Bauchkrämpen so krümmte, dass ich eine Viertelstunde nicht gerade laufen konnte, lächelte ich die Schmerzen meinen Freunden gegenüber milde weg – „war wohl ein Eisprung“.

An dem Tag habe ich mir zum ersten Mal in einer Apotheke Schmerzmittel gekauft.

Überhaupt war ich der Meinung, dass mein neu-gefundenes Schmerzlevel einfach nur Ausdruck dessen war, dass mein Unterleib seit Jahren mal wieder „in Schwung kam“ – ich denke in gewisser Weise hatte ich Recht damit.

Ich wünschte heute nur, es hätte mir mehr Sorgen gemacht.

Einige Monate darauf bekam ich eine Blasenentzündung, die auch nach der Behandlung irgendwie nicht so richtig abzuklingen schien. Dieses Gefühl von „Druck auf der Blase“ begleitete mich fortan ständig.

Ein halbes Jahr später bin ich auf dem Küchenfußboden meiner WG in Australien zusammengebrochen.

Ich hatte so extreme Unterleibsschmerzen, dass ich völlig neben mir stand.

Wehenartig durchzogen mich Schmerzwellen, die mich erst zum Heulen und Schreien brachten, nach einer halben Stunde lag ich nur noch wie ein wimmerndes Häufchen Elend auf meinem Bett. Ich bekam meine Tage mit unglaublicher Wucht (und ich war ja einiges gewohnt). Dicke, schwarze Blutklumpen mischten sich bei, so groß wie eine Orange. Und nach drei Stunden Hölle, konnte ich wieder aufatmen.

Endlich hatte mein Körper meine Aufmerksamkeit!

Irgendetwas war ganz gewaltig aus dem Ruder! Die Ärztin vor Ort fand eine große Zyste an meinem Eierstock und mutmaßte, dass mir da vor ein paar Tagen wohl eine andere Zyste geplatzt war. Es dauerte noch ein paar Monate, bis sie nicht mehr weiter wusste und mich an einen Spezialisten für Unterleibskrebs, Tumore, etc. im Krankenhaus überwies.

Endo-Was?

„Ich glaube Sie haben eine ausgeprägte Endometriose.“ Ich schaute ihn verständnislos an. „Sie haben noch nie davon gehört?“ – „Nein“. Er nickte kurz, erklärte mir knapp was da in mir passierte und meinte, ich müsste unbedingt operiert werden, eventuell sogar eine Hormontherapie bekommen, die mich mit 31 Jahren in die künstliche Menopause schicken würde…

Die Diagnose Endometriose wurde schließlich einige Monate später bei einer Bauchspiegelung in Deutschland bestätigt. Seither bin ich als Patientin am Endometriosezentrum der Charité Berlin. Im Herbst 2017 wurde ich operiert. Fast sieben Stunden lang haben die Endometriosespezialisten mir Endometrioseherde im gesamten Bauchraum, an Blase und Darm entfernt. Danach sah ich für ein paar Tage aus wie ein Pfannkuchen, weil das Gas, dass einem während der Bauchspiegelung den Bauch aufpumpt über die lange OP in meine Haut diffundiert war. Nach gut einer Woche konnte ich mich im Spiegel wiedererkennen.

Meine Blutwerte sind seither top, vor allem die hohen Entzündungswerte sind endlich zurück im Normalbereich. Die Schmerzen allerdings haben sich kaum verändert. Es wurde auch Adenomyose diagnostiziert – Endometriose in der Gebärmutterwand. Die kann man operativ nicht entfernen, es sei denn, man nimmt gleich die ganze Gebärmutter raus. Trotzdem merke ich, dass mein Körper aufatmet.

Ab in die Reha

Gut zwei Wochen nach meiner OP habe ich eine 3-wöchige Anschlussheilbehandlung in Bad Schmiedeberg in Anspruch genommen. Dort (und in einigen weiteren Reha-Kliniken) gibt es Reha-Maßnahmen, Vorträge, Mahlzeiten und Therapien speziell für Endometriose-Patientinnen. Die beste Erfahrung für viele ist der Austausch mit anderen EndoSchwestern.

Die Reise geht also weiter, mit guter Ernährung und Yoga, neuen Freunden und einer Portion „F*ck Endo“.

22 Jahre habe ich auf meine Diagnose gewartet.

Sie ist Fluch und Segen zugleich. Das Monster hat einen Namen und viele Frauen haben Erfahrungen im Kampf gegen Endometriose gesammelt, die ich jetzt auch für mich nutzen kann, jetzt wo ich weiß, was es ist. Aber es macht mir auch Angst. Die Möglichkeit kinderlos zu bleiben und die schlechten „Heilungs“-Chancen (nennen wir es „Beschwerdefreiheit“), machen manchmal wenig Mut.

Aber wie alle EndoSchwestern bin ich auch eine Kämpferin – und ich lasse mich nicht unterkriegen 🙂

 

Sarah (33), EndoSchwester

 

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