Nicht nur Frauen sind betroffen – mein Leben als Trans-Mann mit Endometriose

An Silvester 2017 hatte ich plötzlich so schlimme Bauchschmerzen, dass meine Mutter mich in die Notaufnahme gefahren hat. 

Die Schmerzen begannen am frühen Abend des 30. Dezember und wurden immer schlimmer – ich habe gleich gewusst, dass das nicht nur meine normalen Regelbeschwerden sind.

Schmerzen und Druckgefühl im rechten Unterbauch – so, als wenn da etwas im Bauchraum wäre, das da einfach nicht sein sollte. Diese Symptome habe ich seitdem bei jeder Regelblutung und manchmal auch zwischendrin. 

Gegen ein Uhr morgens fuhr meine Mutter mich dann ins Wolfsburger Krankenhaus. Dort lief alles erstaunlich gut.

Ich musste nur kurz warten, hatte nette Ärzte und Schwestern und auch mit meiner Transsexualität – ich bin Frau zu Mann – wurde sehr gut umgegangen. 

Da ein Verdacht auf eine Blinddarmentzündung bestand und ich über Nacht bleiben sollte, bekam ich – wie das bei Transmenschen allgemein üblich ist – ein kostenloses Einzelzimmer, und da kein anderes Zimmer frei war, war das sogar auf der Privatstation. Mit schöner Tapete, Musikanlage und Kühlschrank – yay! 

Ich bekam per Schnellinfusion Metamizol verabreicht und dazu noch ein Abführmittel, von dem ich eine Woche später noch Durchfall hatte. Juhu… 

Nachdem ich die erste Hälfte der Nacht in der Notaufnahme verbracht hatte, schlug ich mir die zweite Hälfte also auf dem Klo und mit dem netten Pfleger, der Nachtdienst hatte und mit dem ich mir auch noch meinen Vornamen teilte, um die Ohren. 

Am nächsten Morgen bekam ich dann meine Regelblutung. 

Bei mehreren Ultraschalluntersuchungen wurde nichts Auffälliges gefunden. Der Blinddarm war es also nicht; man gab mir nur den Auftrag, mich sicherheitshalber auch noch einmal von einem Gynäkologen untersuchen zu lassen. 

Da auch die Schmerzen besser wurden, verließ ich das Krankenhaus am Silvesterabend auf eigenen Wunsch.

Ein paar Wochen später hatte ich dann meinen ersten Termin beim neuen Gynäkologen. Der Termin verlief sehr gut und ich fühlte mich gut aufgehoben. Es wurde ein Abstrich gemacht, sowie eine Untersuchung mit dem Ultraschall über die Bauchdecke und eine durch die, leider noch vorhandene Vagina – wieder wurden keine Unauffälligkeiten gesehen. 

Ein oder zwei Wochen später hatte ich einen erneuten Termin. Dieses Mal waren auch die Ergebnisse vom Abstrich da. Unauffällig. 

Da äußerte mein Gynäkologe den Verdacht auf Endometriose.

Zuvor hatte das bereits meine ebenfalls an Endometriose erkrankte Cousine getan. Er sagte mir, dass ich über eine Bauchspiegelung nachdenken sollte. 

Außerdem wollte er mich, da ich Testosteron einnehmen sollte, zum Endokrinologikum – als zum Zentrum für Fachärzte für Hormone – in Braunschweig überweisen. Er meinte, dass man sich dort auch mit Endometriose auskenne und man auch anhand der Hormonwerte sehen könne, ob eine Endometriose wahrscheinlich ist. Derzeit steht dieser Termin noch aus. 

Daraufhin trat ich auf Facebook mehreren Gruppen zu Endometriose bei, oder besser gesagt: Ich versuchte, ihnen beizutreten. Manche ließen mich gar nicht erst ein, weil ich eben keine Frau bin. 

In den Gruppen, die mich aufgenommen haben, stoße ich zum Teil auf Ablehnung und mir wird oft das Gefühl gegeben, anders zu sein und nicht dazu zu gehören. Ich musste zum Beispiel bei einer Gruppe zustimmen, dass ich mich jedes Mal als trans oute, wenn ich poste.

Außerdem wird oft sehr geschlechtsspezifisches Vokabular wie „Endo-Schwestern“ oder „Frauenkrankheit“ verwendet, durch das ich mich weiter ausgeschlossen fühle.

Gesellschaftlich ist die Endometriose sowieso schon nicht sehr bekannt, obwohl es sehr viele Betroffene gibt. Noch weniger bekannt ist, dass nicht nur Frauen und Menschen mit Gebärmutter Endometriose bekommen können, sondern jeder – bei Menschen, die mit einem Penis geboren werden, ist sie nur deutlich seltener. Das finde ich sehr schade.

Leider wird Frauen ja schon oft nicht geglaubt, dass sie Endometriose haben – allen anderen glaubt man das noch seltener. 

Deswegen halte ich es für wichtig, bei der dringend nötigen Aufklärungsarbeit zum Thema Endometriose auch darauf hinzuweisen, dass eben nicht nur Frauen betroffen sind. Endometriose kann jeder bekommen.*

Vladislav

 

*Anmerkung der Redaktion: Endometriose wird gemeinhin als Frauenkrankheit bezeichnet. Die Theorie der retrograden Menstruation (auch Implantations- oder Transplantationtheorie), bei der Zellen aus der Gebärmutter mit der Periode in den Bauchraum gelangen und dort Endometrioseherde bilden, ist weit verbreitet.

Dem widersprechen allerdings Funde von Endometriose bei Frauen, die ohne Gebärmutter geboren wurden, bei Babys und Mädchen lange vor der ersten Menses, sowie bei Männern im Zuge von Hormonbehandlungen, z.B. bei Prostatakrebs (genaue Zahlen liegen uns aktuell nicht vor, es wird von 10 Fällen weltweit gesprochen, siehe Quellen).

Das legt nahe, dass Endometriosezellen eventuell schon von Geburt an vorhanden sind und auf die hormonelle Lage des Körpers reagieren (Metaplasietheorie). Spezialisten weisen außerdem darauf hin, dass Endometriosezellen der Gebärmutterschleimhaut-ähnliche Zellen sind, nicht identische.

In diesem Sinne betrifft Endometriose natürlich auch Transmänner und möglicherweise Transfrauen, sowie intersexuelle Menschen (genetisch, anatomisch, hormonell nicht eindeutig einem Geschlecht zuzuordnen) und Bigender (soziale Geschlechtsidentität vereint männliches und weibliches Geschlecht) und nicht-binäre Menschen (Überbegriff für alle, die sich weder ausschließlich dem männlichen oder weiblichen, oder irgendeinem Geschlecht zugehörig fühlen).

Quellen: 

Zwei Fälle, bei denen ein Mann betroffen war werden hier in der US National Library of Medicine beschrieben:

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5 Gedanken zu „Nicht nur Frauen sind betroffen – mein Leben als Trans-Mann mit Endometriose

  1. Lieber Vladislav, ich kenne dich aus einer dieser Gruppen. Du fühlst dich immer gleich angegriffen und diskriminiert, wenn wir dort von uns „Endo-Mädels“ sprechen. Du legst also viel Wert auf eine dezidierte Betrachtungsweise. Gut. Du bist ein Trans-Mann. Also kein Mann. Du hast körperliche Anteile von Frau und Mann. Daher ist es logisch, dass du Endometriose bekommen kannst. „Normale“ Männer können dies nicht, da ihr Hormonhaushalt dies nicht zulässt. Warum akzeptierst du deine weiblichen Anteile nicht einfach? Warum (vor allem als ehemalige Frau) kannst du uns Endo-Mädels nicht einfach akzeptieren? Warum kannst du nicht akzeptieren/tolerieren, dass wir (logischerweise) Begriffe wie „Endo-Mädel“ benutzen? Toleranz ist keine Einbahnstraße!

    1. Auch wenn es schon fast 2 Jahre her ist, muss ich mal auf den Kommentar von Kea Lou antworten.

      Vladislav ist ein Mann. Punkt.
      Er wurde mit einem Körper geboren der zwar weiblich ist und über eine Gebärmutter verfügt und Perioden durchlebt, aber es ist ein Mann und nicht nur ein halber oder so. Er ist auch nicht ehemalig eine Frau, er wurde nur ehemalig als Mädchen betrachtet und wird von Leuten, die keine Ahnung haben was Trans wirklich bedeutet, immer noch als weiblich bezeichnet.
      Warum sollte er einen Begriff akzeptieren, der ihn ausschließt? Warum sollte er akzeptieren, dass er nur über seine Erfahrungen sprechen darf, wenn er sich dabei diskriminieren lassen muss?
      Das ist einfach Transfeindliches Verhalten, was dort passiert und er soll das einfach akzeptieren?
      Klingt für mich wie der Spruch der von vielen Frauenärzten bezüglich Endometriose kommt: Sie sind ne Frau, die Regelblutung bekommt und dazu gehört schmerzen. Warum akzeptieren Sie das nicht einfach und hören auf, sich schlecht behandelt zu fühlen? Ist doch alles halb so schlimm, oder?

      Für betroffene Frauen ist es schon schwer genug, dass sie diagnostiziert werden und ihre Beschwerden sowohl von Ärzten als auch ihrem Umfeld ernst genommen werden. Alle tun es ab und verstehen es nicht richtig, wie krass diese Krankheit das Leben beeinflussen kann.
      Vladislav kämpft genauso dagegen an und dass er als Trans ebenso oft von Menschen nicht für Voll genommen wird. Dass Außenstehende ihm womöglich sagen, dass er sich das nur einbildet. Sowohl dass er Trans wäre oder dass er Schmerzen wegen der Endometriose hat. Allein dass er aus vielen Gruppen ausgeschlossen wird wegen seines wahren Geschlechts ist schon hart genug, aber dann in den verbliebenen Gruppen dann auch noch mit mangelndem Respekt behandelt zu werden, ist halt die Höhe.
      Und alles was er in diesem Beitrag versucht, ist ein Bewusstsein dafür zu schaffen, dass es nicht nur Frauen treffen kann. Es kann sogar Menschen ohne Gebärmutter betreffen, wenn auch viel seltener. Aber sollten diese seltenen Fälle deswegen beiseite geschoben und schön weiter ignoriert werden? Nein. Inklusion heißt das Zauberwort.
      Damit Vladislav wenigstens sich auf die Probleme mit der Endometriose konzentrieren kann, ohne mehr Probleme fürchten zu müssen.

  2. Danke, Lucian Maven, für deinen Kommentar! Er bringt meine Gedanken sehr gut auf den Punkt.
    Ich möchte noch ergänzen, dass der Wunsch nach Verzicht auf geschlechtsspezifisches Vokabular wie „Endo-Schwestern“ oder „Frauenkrankheit“ nicht bedeutet, dass mensch weibliche Personen, auf die dieses Vokabular zutreffen würde, nicht akzeptiert. Es geht darum, dass sich möglichst alle von Endometriose Betroffenen von entsprechenden Beratungs-/Austauschangeboten angesprochen fühlen können, unabhängig von ihrer Geschlechtsidentität.

    Über transfeindliche Äußerungen kann ich quasi an jeder Straßenecke stolpern. Was mich persönlich im Kontext von Endometriose daran besonders stört, ist, dass ich Endo-Betroffene, die sich z. B. in Selbsthilfegruppen organisieren/austauschen, als eine Art Community wahrnehme (der ich mich auch zugehörig fühle), wo Leute sich gegenseitig unterstützen, helfen, Tipps geben. Wo Leute nach Verständnis suchen, das ihnen die „Normalgesellschaft“ oft nicht entgegenbringt. Es ist also eigentlich eine Sensibilität dafür da, wie es ist, nicht ernst genommen zu werden, ausgeschlossen zu sein, nicht zu wissen, was mit einer*einem los ist. Und da bin ich umso fassungsloser, wenn dieses Mitgefühl in manchen Fällen offenbar am eigenen Erlebnishorizont endet und nicht weitergedacht wird.

    Ja, Gender-Themen sind groß und umfassend und vielleicht nicht im ersten Moment intuitiv begreifbar, gerade wenn mensch mit dieser Zweiteilung in „Mann“ und „Frau“ aufgewachsen ist. Es ist aber gar nicht nötig, sich intensiv damit befasst zu haben, um Menschen, die aus dem „typischen Raster“ fallen, mit Offenheit begegnen, sich ihre Geschichte anhören und sie sie selbst sein lassen zu können – und dabei vielleicht auch noch das eine oder andere dazuzulernen.

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